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Elterliche Belastung

Elterliche Belastung in der kinder- und jugendpsychiatrischen Versorgung

Zwischen Kindern und ihren Eltern besteht eine dynamische bidirektionale Wechselwirkung, die neben deren kurzfristigem Verhalten (Kognitionen, Emotionen/Affekte, motorisch beobachtbares Verhalten, Physiologie) auch die individuelle, langfristige Entwicklung (psychisch, sozial, schulisch/beruflich) beider Seiten beeinflusst. Dabei sind funktionale/adaptive Interaktionen ebenso möglich wie dysfunktionale/maladaptive, die zu ungünstigen Entwicklungsprozessen führen können. Dem Ausmaß der elterlichen Belastung und der elterlichen Erziehungskompetenz werden dabei vermittelnde Eigenschaften zugewiesen. Unsere bisherigen Untersuchungen konnten zum Einen zeigen, dass Eltern, deren Kinder sich in unserer Klinik zu einer Behandlung vorstellen, systematisch hohe elterliche Belastungswerte aufweisen und diese zum Anderen die Wahrnehmung und Beschreibung der Symptomatik des Kindes bzw. des Jugendlichen beeinflussen. Dabei ist die elterliche Wahrnehmung der Symptomatik eines Kindes oder Jugendlichen ein wesentlicher Faktor, der bei akuten Erziehungsentscheidungen und -handlungen von Eltern eine Rolle spielt und so zu (Wieder-) Auslösung und Aufrechterhaltung der Symptomatik eines Kindes oder Jugendlichen beitragen kann („Teufelskreis-Modell“). Ausgehend von den genannten Befunden etablierten wir in unserer Klinik die standardisierte Erfassung elterlicher Belastung als obligaten Bestandteil unserer multimodalen Eingangsdiagnostik. Letztgenannte ist die Basis weiterführender kind-/jugendlicher- und elternzentrierter Interventionen.

Elternzentrierte Interventionen sollten, zum Ziel langfristig günstiger Entwicklungsverläufe von Kindern, Jugendlichen und ihren Eltern, eine Belastungsreduktion sowie eine erzieherische Kompetenzerhöhung von Eltern adressieren. Vor diesem Hintergrund wurde in unserer Klinik 2017 die Eltern-Ressourcengruppe entwickelt. Im Vordergrund der fünfmal 90-minütigen Gruppensitzungen von circa acht Eltern mit zwei Gruppenleitern steht die Erweiterung vorhandener personaler Selbsthilfepotentiale mittels eines moderierten Austausches. Seitens der psychotherapeutischen Methoden werden neben der Psychoedukation, die sokratische Gesprächsführung und das Lernen am Modell der anderen Teilnehmer zur Förderung von Selbstreflexion und Veränderungsbereitschaft eingesetzt. In einer pilotierten Evaluation fanden wir für Eltern, deren Kinder in unserer Klinik behandelt werden, deutliche Hinweise auf eine selbstberichtete Belastungsreduktion sowie auf eine Steigerung der elterlichen Kompetenz in der Eltern-Kind-Interaktion.

Derzeit bereiten wir eine umfassende Evaluationsstudie der Eltern-Ressourcengruppe vor, die als randomisiert-kontrollierte (randomized controlled trial = RCT) Studie mit Mehr-Ebenen-Wirk-evaluation (Multi-Level) geplant ist. Dabei richtet sich die Studien- bzw. Gruppenteilnahme nicht mehr nur an Eltern, deren Kinder in unserer Klinik behandelt werden, sondern adressiert ebenfalls Eltern, deren Kinder eine kinderherzchirurgische Behandlung erfahren, bzw. Eltern, die sich einer hohen Anforderung bezüglich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gegenüber sehen (Multi-Setting).

 

Publikationen und Kongressbeiträge

Irlbauer-Müller, V., Eichler, A., Stemmler, M., Moll, G. H. & Kratz, O. (2016). Elterliche Belastung und die Zuverlässigkeit von Elternangaben in der Diagnostik psychisch und verhaltensauffälliger Kinder und Jugendlicher. Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie,45(4), 303-309. doi: 10.1024/1422-4917/a000467.

Irlbauer-Müller, V., Eichler, A., Donhauser, J. A., Poehlmann, N. E., Stemmler, M., Moll, G. H. & Kratz, O. (2017). Das Eltern-Belastungsinventar (EBI): Einsatz und Nutzen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie. Posterpräsentation beim XXXV. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie e. V. in Ulm.

Irlbauer-Müller, V., Eichler, A., Donhauser, J. A., Poehlmann, N. E., Stemmler, M., Moll, G. H. & Kratz, O. (2018). Das Eltern-Belastungsinventar (EBI): Einsatz und Nutzen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie. Diagnostica, 64, 37-48. doi:  10.1026/0012-1924/a000191.

Irlbauer-Müller, V. (2019). Die Eltern-Ressourcengruppe: Belastungsreduktion und Kompetenzerhöhung für Eltern psychisch und verhaltensauffälliger Kinder und Jugendlicher. Posterpräsentation beim XXXVI. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie e. V. in Mannheim.

Irlbauer-Müller, V. (2019). Elterliche Belastung und die psychische Entwicklung von Kindern und Jugendlichen - Konsequenzen für die Zusammenarbeit von Pädiatrie und Kinder- und Jugendlichenpsychiatrie/-psychotherapie. Posterpräsentation beim Kongress der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin in München.

 

Kooperationen

Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Lehrstuhl für psychologische Diagnostik, Methodenlehre und Rechtspsychologie (Prof. M. Stemmler)

Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Lehrstuhl für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie (Prof. G. Spangler)

Familienservice der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und des Universitätsklinikums Erlangen

Kinderherzchirurgische Abteilung am Universitätsklinikum Erlangen